Johanna Bücker war im Zeitraum 2019/20 die Stipendiatin der Genf-Gesellschaft. Über ihre Erlebnisse, auch in Zeiten der COVID-19 Pandemie, berichtet sie im Folgenden. Herzlichen Dank für den Bericht! (Download hier)
Schwerpunktstudium in Genf 2019/20 (von Johanna Bücker)
Im letzten Jahr absolvierte ich als Studentin der Humboldt Universität zu Berlin meinen Schwerpunkt in Internationalem und Europarecht an der Universität Genf. Zwischen der Humboldt Universität und der Universität Genf besteht eine Kooperation, sodass mein Studium im Ausland der meiner Heimatuniversität anerkannt wird. Mein Auslandsstudium fand im Rahmen des Swiss-European Mobility Programme (SEMP, ehemals Erasmus) teil und erhielt eine monatliche Unterstützung von 440 CHF. Darüber hinaus bewarb ich mich vor meinem Studium in Genf auf das Stipendium der Genf-Gesellschaft und war sehr erfreut für dasselbige auserwählt zu werden. Hierfür möchte mich erneut herzlich bedanken!
Das Studium und die Universität
Das Studium an der Universität Genf hat mir sehr viel Spaß gemacht und die Qualität der Lehre ist von hohem Niveau. Es werden verschiedene Kurse auf Englisch und Französisch angeboten, aus denen man frei wählen kann. Das Angebot ist breit gefächert von internationalem Privatrecht bis zu Internationalem Öffentlichem Recht und es unterrichten sehr qualifizierte Professor_innen. Ich habe insbesondere Kurse des Internationalem Öffentlichen Rechts belegt, unter anderem „Comparative Human Rights“, „Droits de l’Homme“, „International Humanitarian Law“, „Droit Pénal International“ und „Contemporary Challenges of Public International Law“. Die Kurse werden im Rahmen des Zertifikats für Transnationales Recht angeboten, welches ich ebenfalls absolviert habe, und sie werden dementsprechend insbesondere von internationalen Studierenden besucht. Dies bietet die Möglichkeit ein Thema mit Menschen aus der ganzen Welt zu diskutieren und es aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die Universität hat mehrere Bibliotheken, die größte befindet sich im Gebäude Uni-Mail und ist, juristische Bücher betreffend, gut ausgestattet. Die Mensa im Erdgeschoss des Gebäudes Uni-Mail ist leider nicht sehr preiswert (insbesondere im Vergleich zu deutschen Mensen), aber es stehen Mikrowellen bereit, sodass eigenes Essen gut aufgewärmt werden kann. Darüber hinaus bietet die Universität allen SEMP-Studierenden an, am Maison des Langues einen Sprachkurs von maximal 4 Wochenstunden zu belegen. Dies kann ich insbesondere für Französisch sehr empfehlen. Darüber hinaus gibt es an der Universität viele spannende Veranstaltungen und Vorträge mit hochrangiger Besetzung. Ich habe an einer Veranstaltung teilgenommen, welche durch die Genf-Gesellschaft, insbesondere durch den Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Kadner, organisiert wurde. Es waren Vortragende aus internationalen Kanzleien und den Verneinten Nationen eingeladen, um über Ihre beruflichen Tätigkeiten zu berichten. Diese Veranstaltung war für mich besonders spannend.
Genf als Stadt und Tipps für Studierende
Genf ist sehr international, geprägt durch viele internationale Organisationen und NGOs. Die Stadt von ca. 200.000 Einwohner_innen hat trotz seiner relativ geringen Größe ein breites Angebot an Kultur und Freizeitbeschäftigungen. Dabei sticht Genf insbesondere durch seine Lage und die schöne Natur hervor. Der Genfer See bietet vor allem im Sommer eine gute Möglichkeit zum Schwimmen, ist jedoch auch im Winter für einen Spaziergang am Ufer geeignet. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Möglichkeiten zum Wandern, bspw. den Genfer Hausberg Salève, als auch zum Fahrrad fahren. Im Winter kann man im Genfer Umland Ski- und Snowboard fahren. Die Schweiz verfügt darüber hinaus über ein gut ausgebautes Schienennetz und man kann leicht einen Tages- oder Wochenendausflug in eine andere Schweizer Stadt machen. Zugtickets sind in der Schweiz teuer, wenn man Glück hat, kann man jedoch online oder in der App der SBB Spartickets zu guten Preisen erhalten. Jede Stadt hat darüber hinaus für jeden Tag ein gewisses Kontingent an „Carte journalière“, welche in Genf und Carouge 45 CHF kosten und mit denen man einen Tag lang in der Schweiz jeden Zug nehmen kann. Oft ist dieses günstiger als einzelne Tickets zu kaufen, sollte jedoch, aufgrund der hohen Nachfrage, frühzeitig geplant werden. Auch das Abonnement „demi-tarif“ (auf Deutsch: „Halbtax“) der SBB, welches für 100 CHF erhältlich ist und einen Rabatt von 50% ermöglicht, lohnt sich bei häufiger Nutzung sehr. In Bezug auf Verkehr bewegt man sich in Genf am besten mit dem Fahrrad oder den Öffentlichen Verkehrsmitteln voran. Wer kein Fahrrad mitbringen kann oder vor Ort kaufen möchte, kann sich ebenfalls bei der Organisation „La Bicyclette Bleue“ ein Fahrrad für einen angemessenen Preis ausleihen.
Kulinarisch hat Genf typisch schweizerisches Essen, wie Raclette oder Fondue, aber auch viele andere Sachen zu bieten. Um Fondue zu essen, empfehle ich das Bain de Paquis, das eigentlich ein Schwimmbad im Genfer See ist, jedoch auch ein Restaurant besitzt und sehr gemütlich ist. Darüber hinaus ist der „Marché des Grottes“ Pflicht: ein Käse- und Weinmarkt an dem sich jeden Donnerstag ganz Genf, insbesondere Mitarbeitende internationaler Organisationen treffen. Der ganze Stadtteil „Les Grottes“ bietet einige nette Bars um abends ein Bier trinken zu gehen, ebenso wie die Rue de l’Ecole-de-Médecine, welche in der Nähe der Genfer Universität liegt.
Insgesamt ist das Leben in Genf, wie erwartet, sehr teuer und von den Lebenshaltungskosten her nicht mit Deutschland vergleichbar. Mietpreise für ein Zimmer liegen in Genf im Durchschnitt bei 800 CHF pro Monat und die Wohnungssuche sollte frühzeitig begonnen werden. Wenn möglich sollte man sich auf die verschiedenen Wohnheime in Genf bewerben, wo die Mietpreise mit ca. 450 – 550 CHF deutlich niedriger sind. Hinzu kommen wesentlich höhere Kosten für Lebensmittel. Die Schweizer Supermärkte Coop und Migros befinden sich eher im oberen Preissegment, aber der Schweizer Discounter Denner als auch Aldi oder Lidl bieten erschwingliche Alternativen für Studierende. Auch Restaurants und abendliche Barbesuche sind eher kostspielig. Dennoch habe ich Genf als Stadt mit einer hohen Lebensqualität empfunden, in welcher man trotz der hohen Lebenshaltungskosten viele günstige Vergnügen finden kann. Die Natur bietet viele Freizeitmöglichkeiten und auch die Museen in Genf sind einmal im Monat kostenlos zugänglich. Wer sich ein wenig umschaut kann viele kostenfreie Kulturangebote und Stadtfeste finden.
Studium in Zeiten von Covid-19
Auch die Schweiz war schwer von der Covid-19 Pandemie betroffen und hat Mitte März alle Einrichtungen und öffentliche Dienstleistungen geschlossen. Nur systemrelevante Geschäfte und Dienstleister_innen (z.B. Supermärkte) blieben geöffnet. In der Universität wurde die Lehre gänzlich auf ein Online-Studium umgestellt. Dies funktionierte vergleichsweise problemlos, da die Universität bereits zuvor viele Vorlesungen aufzeichnete und dementsprechend die Vorlesungen der vergangenen Jahre zur Verfügung stellen konnte. Wo dies nicht möglich war, fand Online-Lehre über das Programm „Zoom“ statt. Auch die Prüfungen wurden online durchgeführt, entweder, bei schriftlichen Prüfungen, über „moodle“ oder bei mündlichen Prüfungen über „Zoom“. Leider hatten auch die Bibliotheken ab Mitte März das ganze Semester geschlossen, welches das Lernen deutlich erschwerte. Inzwischen sind die Bibliotheken unter Einhaltung von Hygiene-Maßnahmen jedoch wieder geöffnet. Ab Mitte Mai wurden die Maßnahmen in der Schweiz deutlich gelockert und nun nur noch wenige Einschränkungen bestehen. Im kommenden Semester ist ein duales System der Lehre vorgesehen, sodass Veranstaltungen in Präsenz, aber auch digital wahrgenommen werden können. Für Neuankömmlinge und Austauschstudierende stellt die Pandemie eine besondere Herausforderung dar, weil es aufgrund der Hygiene-Maßnahmen und -Empfehlungen deutlich schwieriger ist neue Kontakte zu knüpfen. Das Erasmus Student Network (ESN) der Universität Genf ist jedoch sehr aktiv und hat schnell auf die neue Situation reagiert: Es hat seine Angebote auch online zur Verfügung gestellt, um die neuen Studierenden trotz der schwierigen Situation bestmöglich zu unterstützten.